Nein zu sexistischer Kunst!

8. März 2023

Pressemitteilung vom 08.März.2023

Nein zu sexistischer Kunst in Freiburg! Feministische Gruppe verhüllt die Statuen des Freiburger Holzbildhauers Thomas Rees

Freiburg im Breisgau, 08.03.2023 – Zum 08. März, dem Internationalen Weltfrauentag, demonstriert die Freiburger Gruppe ,realitätenwerkstatt‘ gegen die öffentliche Aufstellung der Frauenstatuen des Holzbildhauers Thomas Rees aus Kappel.
Nachdem bereits dessen Statue ,,Loretta – von Keuschheit und Begehren“, 2021 vor dem Lorettobad aufgestellt, für Sexismusvorwürfe und Unmut sorgte und daraufhin vom Künstler abgebaut wurde, kritisiert die realitätenwerkstatt die danach entstandene Statue ,,Agatha L2“. Das L2 kann, wie seiner Website zu entnehmen ist, als Reaktion des Künstlers auf die Loretta Statue gelesen werden.

Agatha L2 zeigt eine nackte Frauenfigur auf dem Scheiterhaufen, mit großen Brüsten und Wespentaille. Vulva und eine Brust bedeckt sie schamhaft mit den Händen. Zu ihren Füßen im Feuer sitzt ein Beifall klatschender Teufel.

Zur Entstehungsgeschichte ist auf Rees Website zu lesen:
,,Agatha war die Tochter einer 1603 in Freiburg als Hexe verurteilten Frau, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Agatha wurde ebenfalls der Hexerei bezichtigt.“
Das minderjährige Mädchen sollte gefangen gehalten und nach einem durch Folter erzwungenen Geständnis exekutiert werden.
Während Rees selbst behauptet, starke Frauenfiguren darstellen zu wollen, Loretta zum Beispiel „… hat sich frei und selbstbestimmt über die Dominanz der Männerwelt erhoben“, sieht die realitätenwerkstatt in Loretta und Agatha, sowie weiteren seiner Skulpturen mit bezeichnenden Namen, wie ,,die Last mit der Frau“, oder ,,Hexenschuss“ ganz eindeutig die Reproduktion der Abwertung von Frauen und der Sexualisierung weiblich gelesener Körper.
Um darauf aufmerksam zu machen, dass Misogynie, hier unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit, oft gar nicht in der Ferne gesucht werden muss, hat die realitätenwerkstatt heute, am 08. März den ,,Sündenfall“ und ,,Agatha L2“ in Kappel und eine Figur des ,,Hexenrings“, am Waldhaus, mit Tüchern und Gaffatape umwickelt und mit Hinweistexten versehen.
Die Gruppe betont: ,,Die sexualisierte Darstellung der systematischen weltweiten Vernichtung weiblicher Menschen zur Zeit der Hexenverbrennungen, ist kein Empowerment! Wir fordern von der Stadt Freiburg sich ihrem Selbstbild als alternative und tolerante Stadt entsprechend zu verhalten und die im öffentlichen Raum stehenden sexualisierten Frauenstatuen Thomas Rees‘ entfernen zu lassen!“

Redebeitrag zum 8. März – Nein zu sexistischer Kunst in/um Freiburg!

Warum und für was genau streiken wir heute hier (am 8. März)? Wir wollen darauf eine lokale Antwort geben.

Sexistische Darstellungen, Objektifizierung und Sexualisierung von Körpern, die anatomisch im binären System dem Geschlecht „Frau“ zugeordnet werden, sind überall präsent. In Werbung, in unserer Schulbildung, in Filmen, in vielen Romanen die von cis-Männern geschrieben wurden. Doch diese Darstellungen sind auch physisch ganz nah bei uns hier, in Freiburg.

Deshalb wollen wir heute über die beiden Statuen Loretta und Agatha des Freiburger Bildhauers Thomas Rees sprechen.

Warum über diese Statuen? Weil wir an diesen Beispielen und Thomas Rees‘ mangelnder Bereitschaft, sich mit Sexismus und Patriarchat auseinanderzusetzen sehen können, wie viel Arbeit noch vor uns liegt auf dem Weg zu einer Entnormalisierung patriarchaler Strukturen. Weil wir solche Darstellungen in unserer Stadt nicht dulden wollen, weil wir sie satt haben!

Vielleicht erinnern sich ein paar von euch an die Loretta Statue, die im vorletzten Jahr vor dem Loretto Damenbad ausgestellt war. Diese wurde entfernt. Nach öffentlichem Aufruf und viel Kritik an der objektifizierenden Darstellung eines unproportionalen Frauenkörpers und der Verherrlichung von sexualisierter Gewalt. Diese Darstellung ist umso schmerzhafter, wenn wir uns die bittere Realität anschauen, in der genau diese Gewalt gegen FLINTA*-Personen sowie eine erdrückende Anzahl an Femiziden immer noch Normalität ist. Doch bei Loretta hört es mit Thomas Rees, der behauptet starke Frauenfiguren darstellen zu wollen, nicht auf.

Es folgte offensichtlich kein Prozess der Reflexion, des Nachdenkens, des Lernens und der Weiterentwicklung. Nein, es folgte: Agatha! Abermals eine mit verzerrt weiblichen Körpermerkmalen ausgestattete Statue.

Agatha ist eine Statue, die historisch auf einer 16 Jährigen basiert. Ihre Mutter wurde als sogenannte Hexe verbrannt und auch Agatha wurde der Hexerei bezichtigt. Dargestellt aus dem Male Gaze, dem Blick männlicher Begierde, als unproportionale und verzerrte Lustfigur steht sie auf dem Pfeiferberg in Kappel, einem öffentlichen Wanderweg. Die sexualisierte Darstellung der systematischen Vernichtung weiblicher Menschen in der europäischen Geschichte ist kein Empowerment.

Man habe ihn gecancelt behauptet Thomas Rees, doch seine Werke stehen weiter in und um Freiburg. Was wir in Loretta und Agatha sehen, ist ganz eindeutig. Die Reproduktion von Objektivierung und daraus resultierende Verfügbarkeit weiblich gelesener Körper. Zwei Skulpturen, die ganz offensichtlich die patriarchale Vorstellung der Befriedigung männlicher sexueller Phantasien reproduzieren.

Wollen wir so etwas in und um Freiburg haben?

Wir sagen: Nein!

Nein! Zu sexistischer Kunst in Freiburg und überall.

Mut tanken zum 8. März – ein Redebeitrag

Müssen wir überhaupt noch kämpfen? Hier, in Deutschland, während im Iran Menschen sterben? Auf Demos gehen – bringt das überhaupt was?

Die Antwort auf all das ist: Ja!

Den feministischen Kampf kämpfen wir gemeinsam. Wir können die Stimme der Menschen im Iran in Freiburg auf die Straße bringen und den Angehörigen hier zeigen, dass sie nicht allein sind.

Aber wie weit dürfen wir dabei gehen? Dürfen wir über etwas sprechen, wenn wir nicht betroffen sind?

Wir sollten es sogar! Wir sollten keine Angst haben, Fehler zu machen, und deshalb den Mund halten. Themen totschweigen, statt sie zu diskutieren. Wir sollten uns verbessern lassen, wenn wir etwas nicht wissen, denn so lernen wir. Und wir sollten nicht direkt verurteilen, sondern Lernen als Prozess begreifen und einander Raum dafür geben.

Wir kämpfen miteinander und wir lernen miteinander. Wir sind nicht allein. Gemeinsam können wir verdammt viel erreichen. Unsere Aktionen hier zeigen autokratischen Staaten wie dem Iran, dass er nicht unbeobachtet morden kann. Die Menschen dort sehen, dass auch sie nicht allein sind. Dass wir an ihrer Seite stehen. Das kann viel wert sein.

Freiheit und Feminismus ist etwas, für das wir ständig und überall kämpfen müssen. Weiblich und queer gelesene Personen haben Angst, nachts allein nach Hause zu gehen. Trans und nicht-binäre Menschen erleben täglich, dass ihre Identität nicht anerkannt wird. Es gibt so viele Femizide auf der Welt, auch hier bei uns – die meisten davon in der vermeintlichen Sicherheit des eigenen Zuhauses. Diktaturen können überall entstehen. Von heute auf morgen kann sich auch unsere Situation verschlechtern – und dagegen müssen wir kämpfen.

Feminismus ist für alle. Für die männlichen 75% der Suizidtoten, die keine Gefühle zeigen durften. Für die Frauen, die verstehen, dass ihr „Ich bin anders als die anderen Frauen“ verinnerlichter Frauenhass ist. Für trans Menschen, die einfach nur sie selbst sein wollen, und queere Personen, die frei sein wollen darin, wen sie lieben und ob sie jemanden lieben.

Wir alle sind links genug und feministisch genug. Gemeinsam können wir Machtstrukturen wie das Patriarchat hinterfragen und verändern. Lasst uns bei all der Scheiße da draußen nicht vergessen, einander mit Verständnis und Freund*innenschaft zu begegnen.